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mitteln. In beiden Fallen ist es aber notig, da. der Inhalt des jeweilig Gelesenen
nicht in der Reihenfolge des Buches oder gar der Bucherfolge dem Gedachtnis zur Aufbewahrung
ubergeben wird, sondern als Mosaiksteinchen in dem allgemeinen Weltbilde seinen Platz an der ihm
zukommenden Stelle erhalt und so eben mithilft, dieses Bild im Kopfe des Lesers zu formen. Im anderen
Falle entsteht ein wirres Durcheinander von eingelerntem Zeug, das ebenso
aufgenommenen Materials durchzufuhren. Es fehlt ihnen die Kunst, im Buche das fur sie Wertvolle vom
Wertlosen zu sondern, das eine dann im Kopfe zu behalten fur immer, das andere, wenn moglich, gar
nicht zu sehen, auf jeden Fall aber nicht als zwecklosen Ballast mitzuschleppen. Auch das Lesen ist ja
nicht Selbstzweck, sondern Mittel zu einem solchen. Es soll in erster Linie mithelfen den Rahmen zu
fullen, den Veranlagung und Befahigung jedem ziehen; mithin soll es Werkzeug und Baustoffe liefern,
die der einzelne in seinem Lebensberuf notig hat, ganz gleich, ob dieser nur dem primitiven Broterwerb
dient oder die Befriedigung einer hoheren Bestimmung darstellt; in zweiter Linie aber soll es ein
allgemeines Weltbild vermitteln. In beiden Fallen ist es aber notig, da. der Inhalt des jeweilig Gelesenen
nicht in der Reihenfolge des Buches oder gar der Bucherfolge dem Gedachtnis zur Aufbewahrung
ubergeben wird, sondern als Mosaiksteinchen in dem allgemeinen Weltbilde seinen Platz an der ihm
zukommenden Stelle erhalt und so eben mithilft, dieses Bild im Kopfe des Lesers zu formen. Im anderen
Falle entsteht ein wirres Durcheinander von eingelerntem Zeug, das ebenso
wertlos ist, wie es andererseits den unglucklichen Besitzer eingebildet macht. Denn dieser glaubt nun
wirklich allen Ernstes "gebildet" zu sein, vom Leben etwas zu verstehen, Kenntnisse zu besitzen,
wahrend er mit jedem neuen Zuwachs dieser Art von "Bildung" in Wahrheit der Welt sich mehr und
mehr entfremdet, bis er nicht selten entweder in einem Sanatorium oder als "Politiker" in einem
Parlament endet.
Niemals wird es so einem Kopfe gelingen, aus dem Durcheinander seines "Wissens" das fur die
Forderung einer Stunde Passende herauszuholen, da ja sein geistiger Ballast nicht in den Linien
des Lebens geordnet liegt, sondern in der Reihenfolge der Bucher, wie er sie las und wie ihr Inhalt
ihm nun im Kopfe sitzt. Wurde das Schicksal bei seinen Anforderungen des taglichen Lebens ihn
immer an die richtige Anwendung des einst Gelesenen erinnern, so mu.te es aber auch noch Buch und
Seitenzahl erwahnen, da der arme Tropf sonst in aller Ewigkeit das Richtige nicht linden wurde. Da es
dies nun aber nicht tut, geraten diese neunmal Klugen bei jeder kritischen Stunde in die schrecklichste
Verlegenheit, suchen krampfhaft nach analogen Fallen und erwischen mit todlicher Sicherheit naturlich
die falschen Rezepte.
Ware es nicht so, konnte man die politischen Leistungen unserer gelehrten Regierungsheroen in
hochsten Stellen nicht begreifen, au.er man entschlosse sich, anstatt pathologischer Veranlagung
schurkenhafte Niedertracht anzunehmen.
Wer aber die Kunst des richtigen Lesens inne hat, den wird das Gefuhl beim Studieren jedes Buches,
jeder Zeitschrift oder Broschure augenblicklich auf all das aufmerksam machen, was seiner Meinung
nach fur ihn zur dauernden Festhaltung geeignet ist, weil entweder zweckma.ig oder allgemein
wissenswert. Sowie das auf solche Weise Gewonnene seine sinngema.e Eingliederung in das immer
schon irgendwie vorhandene Bild, das sich die Vorstellung von dieser oder jener Sache geschaffen hat,
findet, wird es entweder korrigierend oder erganzend wirken, also
{038 Die Kunst des Lesens}
entweder die Richtigkeit oder Deutlichkeit desselben erhohen. Legt nun das Leben plotzlich irgendeine
Frage zur Prufung oder Beantwortung vor, so wird bei einer solchen Art des Lesens das Gedachtnis
augenblicklich zum Ma.stabe des schon vorhandenen Anschauungsbildes greifen und aus ihm alle die
in Jahrzehnten gesammelten einzelnen diese Fragen betreffenden Beitrage herausholen, dem Verstande
unterbreiten zur Prufung und neuen Einsichtnahme, bis die Frage geklart oder beantwortet ist.
Nur so hat das Lesen dann Sinn und Zweck.
Nur so hat das Lesen dann Sinn und Zweck.
Ich habe mich seit fruher Jugend bemuht, auf richtige Art zu lesen, und wurde dabei in glucklichster
Weise von Gedachtnis und Verstand unterstutzt. Und in solchem Sinne betrachtet, war fur mich
besonders die Wiener Zeit fruchtbar und wertvoll. Die Erfahrungen des taglichen Lebens bildeten die
Anregung zu immer neuem Studium der verschiedensten Probleme. Indem ich endlich so in der Lage
war, die Wirklichkeit theoretisch zu begrunden, die Theorie an der Wirklichkeit zu prufen, wurde ich
davor bewahrt, entweder in der Theorie zu ersticken oder in der Wirklichkeit zu verflachen.
So wurde in dieser Zeit in zwei wichtigsten Fragen, au.er der sozialen, die Erfahrung des taglichen
Lebens bestimmend und anregend fur grundlichstes theoretisches Studium.{039 Die Sozialdemokratie}
Wer wei., wann ich mich in die Lehren und das Wesen des Marxismus einmal vertieft hatte, wenn mich
nicht die damalige Zeit formlich mit dem Kopfe auf dieses Problem gesto.en hatte!
Was ich in meiner Jugend von der Sozialdemokratie wu.te, war herzlich wenig und reichlich unrichtig.
Da. sie den Kampf um das allgemeine und geheime Wahlrecht fuhrte, freute mich innerlich. Sagte mir
doch mein Verstand schon damals, da. dies zu einer Schwachung des mir so sehr verha.ten
Habsburgerregiments fuhren mu.te. In der Uberzeugung, da. der Donaustaat, au.er unter Opferung des
Deutschtums, doch nie zu halten sein werde, da. aber selbst der Preis einer langsamen Slawisierung des
deutschen Elements noch keineswegs die Garantie eines dann auch wirklich lebensfahigen Reiches
bedeutet hatte, da die staatserhaltende Kraft des Slaventums hochst zweifelhaft eingeschatzt werdenmu., begru.te ich jede Entwicklung, die meiner Uberzeugung nach zum Zusammenbruch dieses
unmoglichen, das Deutschtum in zehn Millionen Menschen zum Tode verurteilenden Staates fuhren
mu.te. Je mehr das Sprachentohuwabohu auch das Parlament zerfra. und zersetzte, mu.te die Stunde
des Zerfalles dieses babylonischen Reiches naherrucken und damit aber auch die Stunde der Freiheit
meines deutschosterreichischen Volkes. Nur so konnte dann dereinst der Anschlug an das alte
Mutterland wieder kommen.
So war mir also diese Tatigkeit der Sozialdemokratie nicht unsympathisch. Da. sie endlich, wie mein
damaliges harmloses Gemut noch dumm genug war zu glauben, die Lebensbedingungen des Arbeiters
zu heben trachtete, schien mir ebenfalls eher fur sie als gegen sie zu sprechen. Was mich am meisten
abstieg, war ihre feindselige Stellung gegenuber dem Kampf um die Erhaltung des Deutschtums, das
jammerliche Buhlen um die Gunst der slawischen "Genossen", die diese Liebeswerbung, sofern sie mit
praktischen Zugestandnissen verbunden war, wohl entgegen
{040 Erstes Zusammentreffen mit Sozialdemokraten}
nahmen, sonst sich aber arrogant hochnasig zuruckhielten, den zudringlichen Bettlern auf diese Weise
den verdienten Lohn gebend.
So war mir im Alter von siebzehn Jahren das Wort "Marxismus" noch wenig bekannt, wahrend mir
"Sozialdemokr
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er staatlicher Mittel. Jeder andere Glaube fu.t auf gro.er
Uberschatzung eigenen Konnens. Es ist nun einmal ausgeschlossen, da. man mit sogenannter
"freiwilliger Disziplin" uber einen bestimmten Umfang hinaus Organisationen aufbauen kann, die
militarischen Wert besitzen. Es fehlt hier die wichtigste Stutze der Befehlsgewalt, namlich die
Strafgewalt. Wohl war es im Herbst oder besser noch im Fruhjahr 1919 moglich, sogenannte
"Freikorps" aufzustellen, allein nicht nur, da. sie damals zum gro.ten Teil durch die Schule des alten
Heeres gegangene Frontkampfer besa.en, sondern die Art der Verpflichtung, die sie den einzelnen
auferlegten, unterwarf diese wenigstens auf befristete Zeit ebenso unbedingt dem militarischen
Gehorsam.
Dies fehlt einer freiwilligen "Wehrorganisation" von heute vollstandig. Je gro.er ihr Verband wird, um
so schwacher wird die Disziplin, um so geringer durfen die Anforderungen sein, die man im einzelnen
an die Leute stellt, und um so mehr wird das Ganze den Charakter der alten unpolitischen Krieger- und
Veteranenvereine annehmen.
Eine freiwillige Erziehung zum Heeresdienst ohne sichergestellte unbedingte Befehlsgewalt wird in
gro.en Massen
gro.en Massen
nie durchzufuhren sein. Es werden immer nur wenige die Bereitwilligkeit besitzen, sich aus freien
Stucken einem Zwang zum Gehorsam zu unterwerfen, wie er beim Heere als selbstverstandlich und
naturlich galt.
Weiter la.t sich eine wirkliche Ausbildung nicht durchfuhren infolge der lacherlich geringen Mittel, die
fur einen solchen Zweck einem sogenannten Wehrverbande zur Verfugung stehen. Die beste,
zuverlassigste Ausbildung mu.te aber gerade die Hauptaufgabe einer solchen Institution sein. Seit dem
Kriege sind nun acht Jahre verflossen, und seit dieser Zeit ist kein Jahrgang unserer deutschen Jugend
mehr planma.ig ausgebildet worden. Es kann aber doch nicht die Aufgabe eines Wehrverbandes sein,
die bereits ausgebildeten Jahrgange von einst zu erfassen, da man ihm sonst sofort mathematisch
vorrechnen kann, wann das letzte Mitglied diese Korporation verlassen wird. Selbst der jungste Soldat
von 1918 wird in zwanzig Jahren kampfunfahig sein, und wir nahern uns in bedenklicher Schnelle
diesem Zeitpunkte. Damit wird jeder sogenannte Wehrverband zwangslaufig immer mehr den Charakter
einer alten Kriegervereinigung annehmen. Dies kann aber nicht der Sinn einer Einrichtung sein, die sich
eben nicht als Krieger-, sondern als Wehrverein bezeichnet, und die schon durch ihren Namen
auszudrucken bestrebt ist, da. sie nicht nur in der Erhaltung der Tradition und der
Zusammengehorigkeit ehemaliger Soldaten ihre Mission erblickt, sondern in der Ausbildung des
Wehrgedankens und in der praktischen Vertretung dieses Gedankens, also in der Schaffung eines
wehrhaften Korpers.
Diese Aufgabe jedoch erfordert dann unbedingt die Ausbildung der bisher noch nicht militarisch
gedrillten Elemente, und dies ist in der Praxis tatsachlich unmoglich. Mit einer wochentlich ein- oder
zweistundigen Ausbildung kann man wirklich keinen Soldaten schaffen. Bei den heutigen enorm
gesteigerten Anforderungen, die der Kriegsdienst an den einzelnen Mann stellt, ist eine zweijahrige
Dienstzeit vielleicht gerade noch ausreichend, um den unausgebildeten jungen Mann in einen gelernten
Soldaten zu ver
{605 Warum keine Wehrverbande?}
wandeln. Wir haben ja alle im Felde die furchterlichen Folgen vor Augen gehabt, die sich fur junge, im
Kriegshandwerk nicht grundlich ausgebildete Soldaten ergaben. Freiwilligenformationen, die funfzehn
und zwanzig Wochen lang mit eiserner Entschlossenheit bei grenzenloser Hingabe gedrillt worden
waren, stellten an der Front nichtsdestoweniger nur Kanonenfutter dar. Nur in die Reihen erfahrener
alter Soldaten eingeteilt, konnten jungere, vier bis sechs Monate lang ausgebildete Rekruten nutzliche
Glieder eines Regiments abgeben; sie wurden hierbei von den "Alten" geleitet und wuchsen sich dann
allmahlich in ihre Aufgaben hinein.
Wie aussichtslos aber wirkt demgegenuber der Versuch, ohne klare Befehlsgewalt und ohne umfassende
Mittel durch eine wochentlich ein- bis zweistundige sogenannte Ausbildung eine Truppe heranziehen zu
wollen! Damit kann man vielleicht alte Soldaten wieder auffrischen, junge Menschen aber niemals zu
Soldaten machen.
Wie gleichgultig und vollstandig wertlos ein solches Vorgehen in seinen Ergebnissen sein wurde, kann
noch besonders belegt werden durch die Tatsache, da. in derselben Zeit, in der ein sogenannter
freiwillig
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